Mit dem Erwachsenwerden ist das so: Zuerst gibt es eine Puppen-Phase (bei Mädchen) und eine Feuerwehrmann-Phase (bei Buben). Irgendwann folgt dann eine Indianer- (Buben) und Prinzessinnen-Phase (Mädchen). Bei der folgenden Comichelden-Phase machen alle gerne mit. Und ehe man mehr auf Liebeskomödien oder Action-Abenteuer steht, müssen Mädls und Burschen ab etwa 12 Jahren noch durch die meist blutrünstige Dino-Phase.
Die Dinosaurier sind oftmals überhaupt die ersten Viecher, die die Kids kennenlernen. Früher gab es spannende “Was-ist-was?”-Bücher zum Thema, das hat sich inzwischen längst auf Youtube ins Netz verlagert. Schließlich gibt es nicht nur Filme, sondern längst auch Serien, die die Dinos zum Inhalt haben. Und natürlich die Plastik-Saurier aus dem Spielzeuggeschäft.
Mastermind Spielberg
Wieder dabei: Jeff Goldblum (r.), Laura Dern und Sam Neill. – © Universal Pictures
Dinosaurier sind der sichere Kassenschlager aus der Filmwelt. Das geht zurück bis in die 1950er Jahre, als man von Japan aus ein Saurier-ähnliches Riesenmonster durch die Weltmeere schickte: Godzilla machte alles dem Erdboden gleich. Doch es ist vor allem ein Mann, dem das Subgenre der Saurierfilme zu verdanken ist: Steven Spielberg drehte 1993 mit “Jurassic Park” den allerersten Film, der nicht nur die Saurier auferstehen ließ, sondern sie gleich auch in einer Perfektion zum Strahlen brachte, dass man sich in den Kinosessel gedrückt fühlte. Das, was damals da auf der Leinwand den Saal zum Beben brachte, nannte man fortan “CGI” – Computer-generated Images. Bilder, die aus dem Computer kamen, das war nicht neu, aber es war in diesem Umfang noch nie da gewesen.
Spielberg ist der vielleicht bahnbrechendste Fantast, den Hollywood jemals hervorgebracht hat: Schon in “Der weiße Hai” (1975) hantierte er mit gefährlichen Tieren, damals war der Hai aber noch eine Puppe; technisch gesehen war “Der weiße Hai” kein Meilenstein, aber erzählerisch schon: Er gilt heute als der allererste Blockbuster überhaupt, als ein Film, der eine neue Filmgattung bezeichnete: Blockbuster wurden zur Lebensader für die Traumfabrik, die sich damals längst vom Fernsehen bedroht sah. Blockbuster sind Straßenfeger, die einfach jeder sehen wollte. Ob ihres Schauwertes, ihrer Technik, der Effekte wegen oder, weil darin ganz neue Gedankenwelten erschaffen wurden, die sich Zuschauer bis dahin nicht vorstellen konnten. Spielberg ist ihr Erfinder.
Zwischen seinem “Jurassic Park” bis zu dem kommende Woche anlaufenden “Jurassic World – Ein neues Zeitalter” liegen zwar fast 30 Jahre, aber der Ansatz hat sich wenig verändert. Auch das ist ein Merkmal des Blockbuster-Genres geworden: Ist einmal eine erfolgreiche Idee geboren, wird sie so oft kopiert, bis sie wirklich niemand mehr sehen will. Weil die Generationen der Kinogänger aber alle zehn, 15 Jahre wechseln, hat es Hollywood geschafft, mit kleinen Variationen die alten Geschichten immer und immer wieder als neu zu verkaufen. Das ist die eigentliche Kunstform, die Tinseltown hervorgebracht hat. Eine sehr effiziente Form des Recycling, und insofern total auf der Höhe unserer Zeit.
Auf hohem Niveau
Jetzt kommt mit “Jurassic World – Ein neues Zeitalter” (ab 8. Juni im Kino) der bislang sechste Film der Dino-Reihe in die Kinos. Nach den ersten drei Teilen, die in den 1990ern erschienen waren, fand 2015 das Reboot der Franchise statt, mit großem Erfolg und angelegt auf eine neue Trilogie, die nunmehr ihren Abschluss findet. Dass Steven Spielberg immer noch als “Executive Producer” fungiert, zeugt von einer gewissen Anstrengung, das Niveau der Sequels hoch zu halten – allerdings ist der Credit “Executive Producer” in der US-Filmwelt mehr ein Ehrentitel, dem keine Leistung zugrunde liegt. Zustimmen muss Spielberg für die Nennung aber schon, und das tut er nur, wenn man nicht Schindluder treibt mit dem, was er seinerzeit kreiert hat.
Deshalb hat sich das Team rund um Regisseur Colin Trevorrow für das Finale der aktuellen Saurier-Tirlogie etwas Besonderes einfallen lassen. Denn diesmal führen sie alle Jurassic-Elemente in einem Film zusammen. Der neue Film soll sich inhaltlich stark zu den Wurzeln der ersten Trilogie zurückentwickeln, weshalb sich auch so manche Filmfotos von damals und heute beinahe gleichen.
Als Trumpf hat Trevorrow im neuen Film die Ur-Crew aus “Jurassic Park” besetzt, die nun zusammen mit der “Jurassic World”-Riege agiert: Der neue Film lässt mit Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum), Dr. Alan Grant (Sam Neill) undDr. Ellie Sattler (Laura Dern) die Stars des ersten Films erneut auftreten, das soll wohl den erhofften Multiplikationseffekt bringen: Jetzt gehen nicht nur die Kids und Teens von heute ins Kino, sondern auch deren Eltern, die 1993 als Kinder zum ersten Mal einen furiosen Tyrannosaurus Rex über die Leinwand donnern sahen. Hollywood, das hat viel mit Nostalgie und Kindheitserinnerungen zu tun, das wissen die Studios natürlich.
Vier Jahre sind vergangen, seit die paradiesische Insel Isla Nublar zerstört wurde. Aber die Dinos sind nicht tot – sie leben nun auch auf der Erde, und zwar überall! Mit den Menschen haben sie da so ihre Probleme, und deshalb läuft der Kampf darauf hinaus, wer von den beiden Spezies letztlich auf der Erde die Überhand gewinnt. Owen Grady (Chris Pratt) und Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) müssen sich gegen die Urzeitechsen behaupten. Und dafür brauchen sie eben auch die alte Crew.
Die Moral der Wissenschaft
Wie jeder Blockbuster verkauft auch “Jurassic World – Ein neues Zeitalter” ein Metathema mit: Das von der moralischen Frage der Wissenschaft und ihren Möglichkeiten zum Beispiel, das hier das Hauptthema ist, ohne die Geschichte intellektualisieren zu wollen. Denn das wäre ja Kassengift. Die Zukunft der Menschheit immer wieder an den Rand des Abgrunds zu führen, das ist auch ein fixer Bestandteil des Blockbuster-Genres. Es kann gut sein, dass das in den Blockbustern der Zukunft angesichts realer Krisen aber bald weniger wichtig wird. Oder: Die Bedrohungen werden weniger realistisch. Wie eben in “Jurassic World”, denn das erfolgreiche Klonen der Urzeitviecher ist so realistisch wie zwei aufeinander folgende Lotto-Sechser mit Joker.
Was zählt, ist ohnehin mehr das Einspielergebnis als alle theoretischen Fragen: Inzwischen können Eltern mit ihren Kindern getrost erneut ihre Dino-Phase durchleben. Auch, wenn die Kids vielleicht lieber ein paar Sitzreihen weiter vorne sitzen als ihre Erzeuger. Muss ja nicht gleich jeder sehen, dass man dasselbe cool findet wie Mama und Papa.