Bei ihrem Solidaritätsbesuch in Kiew haben drei EU-Regierungschefs Selenskyj ihre Unterstützung zugesagt. Macron versprach neue Waffen.
Ankunft in Kiew mit einem Sonderzug, dessen rustikale Möbel an die Reisen des letzten Jahrhunderts erinnerten: Der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz und der italienische Ministerpräsident Mario Draghi holten am Donnerstag den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Kiew ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Den Gästen wurden verwüstete Stadtteile gezeigt und im Kiewer Vorort Irpin über angebliche Kriegsverbrechen russischer Soldaten gesprochen. „Wie Butscha ist auch Irpin längst zum Symbol für die unvorstellbare Grausamkeit des russischen Krieges, für sinnlose Gewalt geworden“, twitterte Scholz später. Trostworte kamen derweil von Draghi: Irpin ist auch ein Ort der Hoffnung. “Vieles, was sie mir hier erzählt haben, drehte sich um Zukunft und Wiederaufbau.” Die Erwartungen an den hochrangigen Besuch waren hoch, vor allem weil Scholz angab, nicht nur für ein Fotoshooting nach Kiew reisen zu wollen. . Konkreter wurde der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrej Melnyk: Er hoffe, Scholz bringe ein “solides Militärhilfepaket” mit. Das Land braucht dringend schwere Waffen, vor allem Artilleriegeschütze, aber auch moderne Luftverteidigungssysteme. Zuletzt musste Berlin Kiew mitteilen, dass es wegen fehlender Munition nur drei statt vier Mars-II-Mehrfachraketenwerfer anbieten könne. Weitere Zusagen aus Deutschland betreffen sieben selbstfahrende Granaten und Gepard-Flugabwehrpanzer.
Empfehlung der Kommission
Scholz hat sich in Kiew nicht zur Übergabe neuer Waffen verpflichtet, zumindest nicht öffentlich. Dabei betonte er aber, es sei wichtig, “ob die Regierungschefs der drei großen Länder, die an der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beteiligt waren, jetzt nach Kiew reisen”.
Immerhin war es Macron, der der Ukraine bei der anschließenden Pressekonferenz direkt zusicherte: Alle Vertreter der vier anwesenden Länder würden einem sofortigen EU-Kandidatenstatus der Ukraine zustimmen. „Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie“, ergänzte Scholz und bekräftigte das Urteil von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, auch er, Scholz, sprach sich für eine „positive Entscheidung“ zugunsten der Ukraine, aber auch der Ukraine aus Republik. von Moldawien. Berlin und Paris wollen mit diesen Äußerungen Kiew näher kommen, weil die Ukraine beiden Ländern in der Vergangenheit zögerliches Verhalten vorgeworfen hat; damit hätten sie die Freiheit und Sicherheit Kiews nicht stark verteidigt. Da Frankreich derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist Macrons Unterstützung besonders wichtig. I: Vor allem Frankreich, aber auch die Niederlande und Dänemark, haben sich in der Vergangenheit skeptisch gegenüber dem Kandidatenstatus der Ukraine gezeigt. Nun nannte Macron einen weiteren für Kiew wichtigen Punkt: Bei künftigen Friedensgesprächen mit Russland würden die (Vor-)Bedingungen von Kiew gelten.
Die Ukraine beantragte unmittelbar nach dem russischen Angriff die EU-Mitgliedschaft. „Der EU-Kandidatenstatus könnte eine historische Entscheidung für Europa sein“, sagte Selenskyj in Kiew. Er forderte auch weitere Sanktionen gegen Russland. Jedenfalls wird die EU-Kommission am Freitag eine Empfehlung zur Ukraine vorlegen. Eine Entscheidung muss einstimmig getroffen werden, voraussichtlich beim EU-Gipfel am 23./24. Juni in Brüssel.
Der ukrainische Präsident hat auch wiederholt, was die Ukraine seit Beginn des Krieges wiederholt: mehr Waffen. Je mehr sie sich ergeben, desto schneller könne das Land die besetzten Gebiete befreien, so Selenskyj. Immerhin sicherte Macron die Lieferungen von Caesar-Granaten. Im Vorfeld des Besuchs warnte Moskau jedoch vor denselben Waffenlieferungen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach gar von “absolut sinnlosem” Handeln und empfahl den EU-Vertretern eine “realistische Sicht der Lage”. Die Waffen “würden der Ukraine weiteren Schaden zufügen”. Der Spott ließ jedenfalls nicht lange auf sich warten: Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew twitterte: „Europäische Freunde von Fröschen, Leberwurst und Spaghetti besuchen gerne Kiew.“ Die Reise würde “null Ergebnisse” ergeben.
(ag./red.)
(Druckausgabe “Die Presse” vom 17.06.2022)